Die Kunst der Bleiverglasung
Viele der älteren Häuser, die aktuell zum Verkauf stehen, müssen zeitnah saniert werden. Um neue Fenster und Türen kommt aus energetischer Sicht kaum jemand vorbei. Je nachdem, wann das Gebäude gebaut oder das letzte Mal renoviert wurde, findet sich in vielen dieser Häuser jedoch eine besondere handwerkliche Kunstform: Fenster mit Bleiverglasung. Da jedes einzelne in aufwendiger Handarbeit hergestellt wird, lohnt es sich vor einem kompletten Austausch über einen Erhalt nachzudenken.
Fenster mit Bleiverglasung gibt es in Europa seit dem Hochmittelalter. In dieser Zeit entwickelte sich der gotische Baustil, dessen Architektur durch emporragende Gebäude, filigrane Zierelemente und hohe Fenster erkennbar ist. Typisch sind die riesigen Kathedralen mit ihren kunstvollen Buntglasfenstern. Da es zu dieser Zeit noch keine Technik gab, mit der Scheiben im notwendigen Maßstab hergestellt werden konnten, griffen die Glasmacher zu einem handwerklichen Kunstgriff: Sie fügten mehrere kleinere Elemente aus Bunt- oder Klarglas mithilfe von Bleiruten aneinander und schufen so Flächen, die riesige Fensteröffnungen füllen konnten. Welche Dimensionen so möglich wurden, zeigt sich am Beispiel des Altenberger Doms in Nordrhein-Westfalen. Dessen Westfenster besteht aus 144 Quadratmetern Bleiverglasung.
Aus der Not heraus geboren, entwickelte sich die Glastechnik zu einer eigenen Kunstform. Über die Jahrhunderte inspirierte sie Handwerker und Künstler immer wieder aufs Neue. So gehören Bleiverglasungen zu den prägenden Elementen des Jugendstils. Später wurde die Technik durch Marc Chagall wieder beliebt, der sie nutzte, um kunstvolle Fenster für Kirchen, Synagogen und Moscheen Fenster zu entwerfen. Gerhard Richter, dessen Werke zu den teuersten eines lebenden Künstlers zählen, beschäftigte sich ebenfalls mit diesr Glastechnik. 2006 schuf er für den Kölner Dom ein 113 Quadratmeter umfassendes Fenster, zusammengesetzt aus 11500 einzelnen Quadraten aus mundgeblasenem Glas.
In den 80er-Jahren erfuhren Bleiverglasungen zuletzt einen starken Aufschwung. Ob als dekoratives Fensterglas, Einsatz in Zimmertüren oder Glaselement in der Haustür galten die Arbeiten in dieser Phase fast schon als Statussymbol. Heute wird das Verfahren primär bei der Gestaltung von Kirchenfenstern und anderen Gotteshäusern eingesetzt.
Häufig werden Bleiverglasungen im Rahmen von Renovierungsarbeiten durch „normales“ Glas ersetzt. Es gibt jedoch Arbeiten, die aufgrund ihrer Detailliertheit und kunstvollen Ausführung erhaltenswert sind. Trotzdem muss man auf Energieeffizienz und Sicherheit nicht verzichten. Möglich wird dies durch spezielle Scheiben, die man vor und wahlweise auch hinter die Bleiverglasung setzten kann, um den gewünschten energieeinsparenden, schallschluckenden und Sicherheit bietenden Effekt zu erzielen. Möchte man das Kunstwerk erhalten, es aber nicht in den Fenstern und Türen behalten kann man das Stück nach dem Ausbau von einem Kunstglaser so fassen lassen, das es hinterher wie ein Bild frei platziert werden kann.